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Lernen

Schule der Zukunft ist beziehungsreich

Durch das Homeschooling  in der Zeit des ersten Lockdowns wurde offenbar, wir sehr die deutschen Schulen im Bereich Digitalisierung im Rückstand sind. Noch immer fehlt es an schnellem Internet, an ausreichender Technik und auch an entsprechender fachlicher Kompetenz. Kein Wunder, dass die von vielen Eltern beklagte, unzureichende Digitalisierung an Schulen in diesen Zeiten so in den Fokus gerät.

Doch zeichnet eine digital bestens ausgestattete Schule die Schule der Zukunft aus? Dieser Frage geht in einem sehenswerten Filmbeitrag Leschs Kosmos nach und kommt dabei auf drei Aspekte, die den Lernerfolg besonders begünstigen: Allem voran steht dabei eine gute Schüler*innen-Lehrer*innen-Beziehung, die sich in einer Kultur des Vertrauens niederschlägt. Darüber hinaus ist eine Fehlerkultur, welche Fehler als bereichernde Umwege für Wissenserlangung und -verknüpfung ansieht, ein wichtiger Faktor, um Erlerntes nachhaltig zu speichern, anzuwenden und auf andere Bereiche zu übertragen. Und schließlich kommen solchen, häufig wenig beachteten Fächern wie Kunst, Musik und Sport, hohe Bedeutung zu, weil sie unserem Gehirn Entspannung und Vernetzung ermöglichen. Dies alles untermauert der Film durch wissenschaftliche Studien und gibt dabei Einblick in spannende Versuchsanordnungen.

Digitalisierung ist also ein wichtiges Hilfsmittel, nicht nur, aber gerade in diesen Zeiten. Der Lernerfolg jedoch hängt von weicheren Kategorien ab: Persönliche, wertschätzende und ermutigende  Beziehungen, eine bewusst gestaltete Vertrauenskultur, innovativer Unterricht, der die Selbstorganisation der Schüler*innen fördert, ansprechende, die Kreativität begünstigende Räumlichkeiten.

Die Schulen, so Lesch,  sollten die wichtigsten sozialen Orte einer Gesellschaft sein, weil sie die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft übernehmen.
Man wünscht diesem Sendebeitrag, der sich hier findet, rege Verbreitung und Diskussion: unter Eltern, Lehrer*innen, Schulleiter*innen und Schüler*innen.

Gedanken zum Schulstart

Vor einigen Jahren, meine eigenen Kinder waren noch am Beginn ihrer Schullaufbahn und ich wollte sie stärkend begleiten, stieß ich in der SÜDDEUTSCHEN auf einen Zeitungsartikel mit dem schönen Titel „Vom Glück einen guten Lehrer zu haben“. Heribert Prantl beschrieb darin die nötigen Eigenschaften, um Schüler*innen für das Lernen zu begeistern:

„Ein guter Pädagoge nimmt den Schülern die Angst vor der Schule. So ein Lehrer ist, auch wenn man ihn nur ein oder zwei Schuljahre lang hat, ein Gefährte fürs Leben. Es ist ein Glück, so einen Lehrer zu haben. .. Ein guter Lehrer ist den Kindern nah, aber er missbraucht die Nähe nicht. Lernen braucht Vertrauen. Ein Schüler muss die Gewissheit haben, dass er sich mit seinen Lücken und Schwächen, dass er sich mit seinen Ängsten, mit seiner Neugier und seinen Fragen zeigen darf, dass sie ihm nicht um die Ohren geschlagen werden wie ein nasses Handtuch. .. Gute Lehrer entfachen Begeisterung. Die Schüler dieser Lehrer erkennt man daran, dass sie etwas wissen wollen, dass sie urteilsfähig sind, Kritik üben, selbständig handeln.
Das alles geht nur, wenn der Lehrer die Schüler mag und respektiert. Das wiederum setzt voraus, dass die Gesellschaft den Lehrern zeigt, dass sie auch sie mag. Wenn eine Gesellschaft mit den Lehrern schlecht umgeht, dann hat sie unverdientes Glück, wenn die Lehrer mit den Schülern gut umgehen.“ (Hier der ganze Artikel im pdf)

Schon damals vor knapp 10 Jahren fand ich den Inhalt richtig und sah gleichzeitig den großen Reformbedarf, damit Lehrer*innen und Schüler*innen all dies zur Entfaltung bringen können. Heute, da meine Kinder allmählich ans Ende ihrer Schullaufbahn kommen, nach vielen Jahren als Elternvertreterin und nach einigen Gesprächen mit Eltern in meiner Praxis, hat sich ernüchternd wenig verändert. Und nicht nur dies. Heute befinden wir uns an einem Wendepunkt, an dem Corona den dringenden Reformbedarf des Bildungswesens mit einer nie dagewesenen Dringlichkeit offenbart.  

Woran es mangelt und was den Wandel befördern könnte, bringt der Bildungsforscher Prof. Dr. Hans Anand Pant in einem Interview mit der BERLINER ZEITUNG aktuell eindrücklich auf den Punkt. In dem lesenswerten Beitrag beschreibt er unter anderem die Notwendigkeit der Digitalisierung an Schulen als tiefgreifenden Transformationsprozess, der nicht nur die räumlichen und zeitlichen Strukturen des Lernens, sondern die gesamte Lernkultur im Auge haben müsse. Das impliziere zum Beispiel auch die Frage nach einem zeitgemäßen (d.h. entschlackten) Fachunterricht oder die Entwicklung neuer Instrumente der Leistungsbeurteilung:  „Die offiziellen Regelungen in der Krise zielten vor allem darauf ab, Prüfungen stattfinden zu lassen. Erst in zweiter Reihe ging es darum, wie man Kinder in dieser Ausnahmesituation pädagogisch professionell begleitet, insbesondere diejenigen, die bereits benachteiligt sind. Dies ist eine völlig unzeitgemäße Priorisierung von Prüfungshandeln gegenüber dem Anspruch an Schule, die Schülerschaft zum selbst regulierten und lebenslangen Lernen zu befähigen.“

Wir haben längst kein Wissensproblem mehr, wir haben ein Umsetzungsproblem guter Schule. Daher appelliere ich an die guten Lehrer*innen: Warten Sie nicht auf die Politik. Tun Sie sich zusammen mit den anderen Engagierten, den Kolleg*innen, Schüler*innen und Eltern. Wagen Sie, Ihre Schule auf den Kopf zu stellen und sie neu zu denken im Sinne einer Bildung, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Haben Sie den Mut, mit Ungewissheiten im Wandlungsprozess zu leben und trauen Sie sich selbst und allen Beteiligten zu, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Vielleicht kann sich die Krise dann tatsächlich als Chance entpuppen.

Homeschooling

Kann die Schule von morgen aus der Krise von heute lernen?

Ich hatte es bereits in einem früheren Beitrag geschrieben: Die neue Situation der sozialen Distanzierung und der geschlossenen Schulen führt dazu, dass Kinder und Jugendliche neue kreative Formen des Austauschs und des Lernens finden. Dabei darf natürlich nicht die schwierige Lage von Kindern aus Problem belasteten und/oder bildungsfernen Elternhäuser übersehen werden, die in diesen Tagen zu einer weiteren sozialen Spaltung führt, trotz der inzwischen von der Politik beschlossenen „Lernbrücken“.

Dass aber das neue Lernen zu Hause auch zu überraschender selbstinitiierter Vertiefung von interessanten Sachveralten führt, dass plötzlich vielfältige kreative Arbeiten auf verschiedensten medialen Kanälen entstehen, dass dabei motivierende Selbstwirksamkeit erfahren wird, dass Bildung den Tag strukturiert, dass Unterrichtsstoff der Krise und damit an die Erfahrungswelt der Schüler*innen angepasst wird, dass sich Lehrer*innen trotz Entfernung beziehungsreich nach dem mentalen Befinden ihrer Schüler*innen erkundigen.. das alles sind ebenfalls Phänomene dieser besonderen Zeit, die zu bemerken, zu erhalten und weiterzuentwickeln lohnend sein können.

Eben dies beschreibt der Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises Prof. Dr. Michael Schratz im Österreichischen Standard https://www.derstandard.at/story/2000116250722/corona-krise-das-ver-rueckte-klassenzimmer – ein lesenswerter Artikel auch für Deutschland, der Anregungen zur Weiterentwicklung des deutschen Schulsystems gibt.